Psychoakustik: Gutes Gehör – schlechtes Gehör?

Hören

Das Hören vermittelt dem Menschen auf eine ganz ureigene Art die Umwelt, in der er lebt. Es unterstützt ihn bei der Verortung, warnt ihn bei Gefahr. Die individuelle Interpretation des Hörerlebnisses ist verantwortlich für umfassende Reaktionen und löst Gefühle aus. Es führt zu An- und Entspannung, zu Langeweile oder gar Angst und Flucht.

Was das Gehör leistet, lässt sich gut bei geschlossenen Augen erfassen: das Hören vermittelt dem Menschen, was ihn umgibt und wo er sich befindet. Er nimmt war, ob etwas weit weg ist und stillsteht. Ob sich etwas nähert oder entfernt, von welcher Seite und mit welcher Geschwindigkeit etwas auf ihn zukommt. Oder das Musikhören bzw. -spielen. Für viele ist dies eine Bereicherung und regt die Phantasie an.

Hören ist aber vor allem ein elementarer Bestandteil der Kommunikationsmöglichkeiten des Menschen. Hören bedeutet, die vielfältigen Informationen der Mitmenschen zu erfassen und darauf zu reagieren. Bei hörgeschädigten Menschen funktioniert dieser unkomplizierte Austausch nur noch eingeschränkt. Das ist ein Einschnitt in die Lebensqualität. Überforderung und das Gefühl des Ausgeschlossenseins führen oft zum Rückzug in die innere Gedankenwelt. Das muss nicht sein.

 

Wie funktioniert das menschliche Gehör?

Hören – und damit auch Verstehen – ist das Ergebnis eines faszinierenden und hochkomplexen Prozesses. Um die Funktionsweisen von Hörgeräten zu begreifen, ist es sinnvoll die Zusammenhänge innerhalb des Gehörs nachzuvollziehen.

Das Gehör

Das äußere Ohr besteht aus der Ohrmuschel (Concha) und dem äußeren Gehörgang. Die Ohrmuschel fängt den Schall ein und lenkt ihn in den äußeren Gehörgang, wo er am Ende auf das Trommelfell trifft. Damit hat der Schall das Mittelohr erreicht.

Vom Trommelfell wird die Schwingung auf das feine System der Ohrknöchelchen (Hammer, Amboß und Steigbügel mit Steigbügelplatte) in der Paukenhöhle übertragen. Die Gehörknöchelchen wirken wie ein Verstärker und Transformator. Die Steigbügelplatte hat ihren Sitz am ovalen Fenster, einer Membran, durch die der Körperschall in das Innenohr geleitet wird. Neben dem ovalen Fenster befindet sich das runde Fenster, aus dem der Schall aus dem Innenohr wieder austritt. In die Paukenhöhle mündet die Eustachische Röhre, die den Druckausgleich z.B. beim Tauchen und Fliegen ermöglicht.

Im Innenohr befinden sich das Gleichgewichtsorgan und die für das Hören so wichtige Gehörschnecke (Cochlea). Sie ist spiralförmig aufgebaut, mit einer Flüssigkeit gefüllt und wird der Länge nach von der Basilarmembran durchzogen. Auf der Basilarmembran befinden sich die inneren und äußeren Haarsinneszellen, deren Enden die Tektorialmembran berühren.

Abgewickelte Schnecke mit Frequenzbereich

Erreicht der Körperschall die Basilarmembran so wird diese und damit auch die Haarsinneszellen in Bewegung versetzt. Die inneren Haarsinneszellen sind für die Weiterleitung der Informationen an den Hörnerv verantwortlich. Die äußeren Haarsinneszellen nehmen nicht nur die Lautstärke war, sondern können sie bei leisen Tönen verstärken und bei lauten dämpfen. Diese wichtige Funktion ist bei einer Hörminderung eingeschränkt.

Durch die Auslenkung der Sinneshaarzellen entstehen Impulse, die vom Hörnerv aufgenommen werden. Die Informationen des Hörnervs werden zusammen mit den Informationen des Gleichgewichtsnervs an das Gehirn weitergeleitet, dort interpretiert und ausgewertet. Erst durch die Verarbeitung der Signale von beiden Ohren entsteht das binauerale – das räumliche – Hören.

Vom Schallereignis zum Hörereignis

Die Wahrnehmung von Lärm, Krach, Vogelgezwitscher, einer schönen Stimme – allem gemeinsam ist das physikalische Phänomen: der Schall. Akustik ist die Wissenschaft des Schalls. Wer auf ein Hörgerät zurückgreifen muss, möchte vielleicht seine Grundkenntnisse auffrischen:

Schall geht von einer Schallquelle aus. Diese versetzt ihre Umgebung in Schwingung. Betrachtet man diese Schwingung genauer ergeben sich wichtige physikalische Größen.

Schwingung des Schalls

Frequenzbereich

Die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde wird Frequenz genannt und in Hertz gemessen. Ein Hertz ist eine Schwingung pro Sekunde. Je höher die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde, desto höher ist der Ton. Ein Beispiel: Der tiefste Ton eines Klaviers liegt bei einer Frequenz von 27 Hz und der höchste Ton bei 4100.

Menschen können Frequenzen von 16 bis 20 000 Hz (20 kHz) hören. Man spricht deshalb auch von Hörschall. Der Sprache spielt sich im Frequenzbereich von 300 Hz – 4 kHz ab. Am empfindlichsten reagiert das Gehör auf den Frequenzbereich von 3 – 4 kHz.

Frequenzbereiche

Schallpegel

In der Akustik wird die Amplitude in Dezibel (dB) gemessen. Die Länge der Amplitude ist entscheidend für die Lautstärke bzw. die Höhe des Schallpegels. Je höher die Amplitude ausschlägt, desto lauter wird es. ABER – eine Verdopplung der Lautstärke bedeutet NICHT – eine Verdoppelung der dB-Zahl. Bei einer Verdoppelung der Lautstärke steigt die dB-Zahl lediglich um 10dB.

Schallpegel

Der hörbare Bereich des Menschen

Der hörbare Bereich hängt von der Frequenz (Tonhöhe) und dem Schallpegel (Lautstärke) ab. Beim Schallpegel wird unterschieden zwischen dem Schallpegel an der Schallquelle (Schallleistungspegel) und dem Schallpegel der beim Hörer ankommt (Schalldruckpegel).

Schalldruckpegel und Frequenzbereich ergeben die sogenannte Hörfläche, den hörbaren Bereich des Menschen:

Frequenzbereiche

Lautstärke und Lautheit

Ob etwas als laut empfunden wird, ist relativ. Ein sehr laut gestellter Fernseher ermöglicht einem Hörgeschädigten ein besseres Hörerlebnis. Dieselbe Lautstärke (Lautdruckpegel) wird von einem Menschen mit gutem Gehör oft schon als störend oder gar schmerzhaft empfunden. Damit sind zwei wichtige Kriterien bei der individuellen Beurteilung von Lautstärke benannt. Die Hörschwelle (Ruhehörschwelle) und die Schmerzgrenze (Unbehaglichkeitsschwelle).

Die Hörschwelle ist der individuelle Bereich, bei der ein Sinuston (reiner Ton) gerade noch gehört werden kann. Im Tonaudiogramm werden Einzelmessungen über den gesamten Frequenzbereich vorgenommen. Es entsteht ein Bild davon, in welchem Frequenzbereich das Gehör gut hört.

Die Spanne zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle wird Dynamik oder Dynamikbereich genannt. Je geringer der Dynamikbereich ist, desto später wird ein leiser Ton gehört und desto schneller wird ein Lauter Ton als zu laut empfunden.

Sprachverstehen

Hören ist nicht gleich verstehen. Das liegt vor allem daran, dass die Vokale (Selbstlaute) und Konsonanten (Mitlaute) über einen Frequenzbereich verteilt sind. Vokale liegen im tieferen Frequenzbereich und werden deshalb eher als laut empfunden. Einige der Konsonanten (d, t, s, f, sch) liegen aber im Hochtonbereich. Sie werden eher als leise wahrgenommen. Ein gesundes Gehör reduziert die Lautstärke bei den Vokalen und verstärkt die Lautstärke bei eben diesen Konsonanten. So entsteht ein angenehmes Sprachverstehen. Mittels einer Sprachaudiometrie wird festgestellt, wie gut das Sprachverständnis bei einer Hörminderung ausgeprägt ist.